Erneute Zunahme rechter Gewalt in NRW – Jahresbilanz rechter Angriffe 2022

Gemeinsame Pressemitteilung der Fachberatungsstellen für Betroffene von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (Stand: 8. Mai 2023)

Die Fachberatungsstellen für Betroffene von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in NRW verzeichnen erneut eine Zunahme rechter Angriffe. Insgesamt erfassten OBR und BackUp 371 Fälle rechter Gewalt mit mindestens 501 direkt betroffenen Personen. Zahlreiche darüber hinaus ermittelte Verdachtsfälle konnten aufgrund fehlender Informationen nicht in die Statistik einfließen. Die diese noch übersteigende Dunkelziffer rechts motivierter Gewalt schätzen die Fachberatungsstellen als sehr hoch ein.

Körperverletzungsdelikte weiter auf Höchststand – Ausmaß rechter Gewalt alarmierend

Für das Jahr 2021 registrierten OBR und Backup insgesamt 158 Körperverletzungsdelikte (eine versuchte Tötung, 69 gefährliche Körperverletzungen, 88 einfache Körperverletzungen). Im Jahr 2022 sind diese bereits alarmierenden Zahlen erneut gestiegen: Insgesamt erfassten die Fachberatungsstellen 205 Körperverletzungsdelikte. Dabei handelt es sich um drei versuchte Tötungen/schwere Körperverletzungen, 74 gefährliche und 128 einfache Körperverletzungen.

„Der vereitelte rechtsterroristische Anschlag auf das Don-Bosco Gymnasium und die Realschule Borbecker Schloss in Essen, die Schüsse auf das frühere Rabbinerhaus an der alten Synagoge in Essen, der Molotow-Cocktail-Angriff auf die Hildegardis-Schule in Bochum in derselben Nacht, der geplante Brandanschlag auf die Synagoge in Dortmund – diese Fällen zeigen die mörderische Dimension rechter Ideologie. Sie zeigen eine reale Gefahr auf – und haben damit das Potential, das Sicherheitsempfinden und die Sicherheit ganzer Gruppen und Gemeinden massiv zu schädigen.“
(Magdalena Lentsch, BackUp)

Rassismus weiterhin häufigstes Tatmotiv – Angriffe auf politische Gegnerinnen nehmen wieder zu

Wie bereits in den Vorjahren bleibt Rassismus in der Auswertung von OBR und BackUp das am häufigsten festgestellte Tatmotiv. Die Fachberatungsstellen weisen nachdrücklich darauf hin: Rassismus muss als gesamtgesellschaftliches Problem anerkannt werden. Rassistische Angriffe werden keinesfalls nur durch organisierte Täterinnen verübt, sondern sind schmerzhafte Alltagsrealität von betroffenen Personen.

Die Zahl der Angriffe gegen politische Gegnerinnen (bzw. Menschen, die als solche gelesen werden), hat seit 2019 erstmalig wieder zugenommen. Betroffene Personen wurden dabei häufig Opfer von Bedrohungen und/oder Nötigungen seitens der organisierten Rechten. In mehreren Fällen sind wiederholte Bedrohungen bekannt.

„Bedrohungen im Wohnumfeld oder die Androhung von Gewalt führen zum Verlust von sicheren Rückzugsräumen für Betroffene. Dabei handelt es sich um organisierte Strategien, Betroffene und ihre Stimmen aus dem gesellschaftlichen Diskurs zu verdrängen. Um rechter Gewalt und menschenverachtenden Einstellungen wirksam zu begegnen, braucht es Solidarisierungsprozesse durch Zivilgesellschaft und politische Verantwortungsträgerinnen. Die Stimmen der Betroffenen müssen stärker Gehör finden.“
(Fabian Reeker, Leitung der Opferberatung Rheinland)

Kritik an mangelnder Anerkennung rechter Tatmotivation

Die Fachberatungsstellen werten die Tötung von Malte C. am 27.08.2022 auf dem CSD in Münster als queerfeindlich motiviert und stellen sich parteilich und solidarisch hinter Akteur*innen der LGBTIQA+ Community. OBR und BackUp kritisieren insgesamt die mangelnde Anerkennung rechter Tatmotivation seitens Ermittlungs- und Justizbehörden. Rechte Gewalt, ihr Ausmaß sowie ihre Folgen für Betroffene werden damit unsichtbar gemacht und verharmlost.

„Nach wie vor beobachten wir, dass längst nicht alle Facetten menschenfeindlicher Einstellungen Eingang in die Praxis der Ermittlungsbehörden finden. Die Erfassung von Hasskriminalität muss weiter geschärft und konsequent angewandt werden, um realistischere Lagebilder rechter Gewalt abbilden zu können.“
(Niklas Weitekamp, Opferberatung Rheinland)

 

 

Video-Rückblick zur Podiumsdiskussion: Wie rassistisch ist unsere Demokratie?

Im Anschluss an die letzte Mitgliederversammlung fand im Dortmunder Keuninghaus eine Podiumsdiskussion zur Frage „Wie rassistisch ist unsere Demokratie?“ statt. Dr. Mark Terkessidis, Gamze Kubaşik und Marc Auguste diskutierten auf dem Podium und mit dem Publikum gemeinsam, wie eine Auseinandersetzung mit dem Rassismus stattfinden kann und warum eine diskriminierungsfreie Gesellschaft keineswegs ‚nice to have‘ ist.

Allen, die an diesem Abend nicht teilnehmen konnten, können sich in diesem kleinen Video-Rückblick des Keuninghauses doch noch einen kleinen Eindruck in die Veranstaltung verschaffen.

Veranstaltung: Wie rassistisch ist unsere Demokratie?

Unsere Demokratie ist in Gefahr. Neben Rechtsextremismus und anderen Ideologien der Ungleichwertigkeiten, zählt Rassismus zu den großen Gefahren für unsere Demokratie. Eine Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationszentrums (DeZim) beschreibt. Wir müssen reden! Wir laden Sie ein, zu einer offenen Vortrags- und Talkrunde in Kooperation mit und im

keuning.haus in Dortmund, Leopoldstraße 50-58, 44147 Dortmund
Dienstag 21. Juni 2022, 18.30 – 21.00 Uhr

 

 

Stadt Hamm zeigt Haltung! Hammer Wochen gegen Rassismus

Erstmalig beteiligt sich im März 2022 die Stadt Hamm als Kommune offiziell an den Internationalen Wochen gegen Rassismus. Im Rahmen der bundesweiten Aktionswochen – vom 1. bis 31. März 2022 – finden unter dem Motto „Haltung zeigen“ zahlreiche Veranstaltungen und Projekte digital und in Präsenz statt. Das „Hammer Netzwerk rassismuskritische Arbeit“ hat in Kooperation mit verschiedenen Partnern eine Broschüre mit Veranstaltungen von Anfang bis Ende März 2022 veröffentlicht. Anmeldungen zu den Aktionen, Lesungen, Vorträge und Workshops sind ab sofort möglich.

 

 

ZusammenHamm: Zusammenhalten – Schwache schützen!

Aufruf des Runden Tischs unter dem Hashtag #ZusammenHamm

Der Runde Tisch gegen Radikalismus und Gewalt in der Stadt Hamm hat eine Initiative für Zusammenhalt in der Corona-Pandemie ins Leben gerufen. Mit einem offenen Brief wenden sich die Sprecher des Runden Tischs, Pfarrer Dr. Tilman Walther-Sollich (Ev. Kirchenkreis Hamm), Klaus Engels (BackUp-ComeBack und Arnold-Freymuth-Gesellschaft) und Joachim Hoen (DGB Hamm) an alle Bürger*innen: „Wir werben für ein solidarisches Miteinander und möchten allen sonst eher leisen Menschen die Möglichkeit geben, gemeinsam ein Zeichen für Vernunft, Freiheit und Zusammenhalt zu setzen.“

Angesichts der wiederkehrenden und teilweise ausufernden Corona-Proteste in Hamm und zahlreichen anderen Städten hatten sich die Mitglieder des Runden Tischs darauf verständigt, einen solchen Aufruf zu starten. Er soll ab Mittwoch, 26. Januar, insbesondere über Social-Media-Kanäle unter dem Hashtag #ZusammenHamm weiterverbreitet werden. Drei Botschaften stehen dabei im Mittelpunkt.

  • „Zusammenhalten – Schwache schützen!“ wird als das Gebot der Stunde bezeichnet. Besondere Bedeutung habe dabei die Bereitschaft, sich impfen zu lassen. Das schütze die, die sich nicht impfen lassen können. Zugleich gehe es darum, denen den Rücken freizuhalten, die sich besonders im Gesundheitswesen, in Rettungsdiensten, bei der Polizei, aber auch in Kitas, Schulen und Verwaltung für das Wohl der Allgemeinheit einsetzen.
  • „Deine Freiheit endet, wo du andere gefährdest“: Der Aufruf bekennt sich ohne Wenn und Aber zum Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Er gibt aber zu bedenken, dass die individuelle Freiheit der Einzelnen endet, wo die Freiheit der Anderen beginnt.
  • Weißt du, wer neben dir läuft? Mit Nazis geht man nicht „spazieren“! Der Vereinnahmung der Corona-Proteste durch rechte Gruppierungen und ihre Verschwörungserzählungen gilt ein besonderes Augenmerk. Die Initiatoren appellieren an die Hammer*innen, einzustehen für eine offene, vielfältige und tolerante Gesellschaft, die die Freiheit der Anderen achtet. Sie sehen jedoch mit Sorge, wie sich Proteste gegen Corona-Maßnahmen in Hamm und anderswo radikalisieren. „Du kannst dich nicht für die Werte unserer Demokratie einsetzen, indem du dich von ihren erklärten Feinden vor den Karren spannen lässt“, geben sie zu bedenken. Die Forderung nach Freiheit, Toleranz und dem Recht auf selbstständiges Denken sei bei denen in den falschen Händen, die diese Errungenschaften der Demokratie abschaffen wollen.

„Zusammenhalt ist in schwierigen Zeiten ein außerordentlich hohes Gut“, zeigen sich Klaus Engels, Joachim Hoen und Tilman Walther-Sollich überzeugt. Darum gelte es nun, „weiter zusammenzuhalten für unser demokratisches, solidarisches Gemeinwesen“.

Zahlreiche Organisationen haben sich als Erstunterzeichnende dem Aufruf angeschlossen, darunter Oberbürgermeister Mark Herter und Regina Schumacher-Goldner (BackUp-ComeBack).

Der Aufruf ist im Wortlaut zu finden unter www.hammer-appell.de/aktuelles/nachrichten/detail/news/zusammenhalten-schwache-schuetzen/

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